Tunnelblick

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Veröffentlichung

Mrz 4, 2021

Wir wohnen mitten im Wald und eines Abends war ein Fuchs direkt vor der Haustüre in unserem Garten, als ich die Hunde für das letzte Bächlein raus ließ. In Folge hatten die Hunde verknüpft, wenn es abends nochmal zur Tür rausgeht – und es bereits dunkel ist -, dann müssen sie brüllend rausrennen, weil der Fuchs könnte dort sitzen. Das war bei meinen beiden Hunden sehr tief eingebrannt und es hat eine ganze Weile gedauert, bis ich es gegenkonditioniert hatte. Das Einfachste für mich war, die Hunde mit Leckerchen für ruhiges Verhalten zu belohnen, wenn die Tür auf ging. Ganz klassisch in sehr kleinen Schritten.

Hand Richtung Türklinke = Keks

Hand an Türklinke = Keks

Türklinke runterdrücken = Keks

usw.

Nach einiger Zeit war es so weit, dass die beiden einen Keks an der Tür bekamen und auf nichts anderes mehr warteten. Die Belohnung wurde langsam ausgeschlichen und das Training war beendet.

Bei meinem Lagotto ging es dann relativ fix, dass er der Meinung war, er müsste jetzt entscheiden, wann es den Abendkeks an der Tür gibt. Er ist immer früher aufgestanden und hat auf die Belohnungsbox an der Tür gedeutet.

Und da war er dann, mein Blick in den Tunnel.

Ich habe ihn aufgefordert, sich wieder hinzulegen und noch einen Moment zu warten. Nach ein paar Tagen kam er dann auf die Idee, sich vor die Hündin zu legen und diese zu wecken. Wenn abends um 10 zwei Hunde durchs Wohnzimmer tapern, dann macht man nun doch die Türe auf und lässt sie raus.

Er war also wirklich erfinderisch, um wieder an einen Keks zu kommen, dabei gab es ja schon eine ganze Weile kein Leckerchen mehr. Parallel verweigerte er morgens sein Futter, aber auch das habe ich da noch nicht zusammengebracht.

Weil mein Blick abends ja im Tunnel war und ich weder was von links noch von rechts in Zusammenhang gesetzt habe.

Es handelte sich schlichtweg um eine körperliche Reaktion, die ihn dazu gebracht hat zu sagen „Los, gib mir den Keks“, denn es wurde vom Körper bereits Magensäure produziert. Nur durch etwas Essbares konnte er sich wieder besser fühlen, es hatte also nichts mit dem Wunsch nach Weltherrschaft zu tun! Sein Körper hatte diese Erwartungshaltung entwickelt, durch die Gabe der Leckerchen zu einer bestimmten Zeit hatte sich der Körper so programmiert, dass die Verdauungssäfte vom Körper bereitgestellt wurden. Die Säure wurde nun aber nicht abgepuffert, sondern verblieb über Nacht im Magen. Kein Wunder also, dass meinem Hund morgens so schlecht war, dass er nichts fressen wollte.

Dabei hatte er wirklich sehr kreativ versucht, mir mitzuteilen, dass er den Keks benötigt, aber ich habe ihm einfach nicht zugehört. Weil ich war ja im Tunnel.

Jetzt könnte man ja denken, die ist Hundetrainerin und Ernährungsexpertin und auch noch Gesundheitsberaterin und dann merkt die nicht, was da los war. Durch Fehler wird man klug und wieder aufmerksam. Bis ich endlich die Zusammenhänge realisiert habe, sind vielleicht 10-14 Tage ins Land gegangen. Von den Nachwirkungen hatten wir noch eine ganze Weile, wesentlich länger, als der ursprüngliche Trainingsprozess gedauert hatte. Durch das Sodbrennen hatte sich eine Gastritis entwickelt, die ich dann über die nächsten 4-6 Wochen langsam ausgeheilt habe.

Mit dieser Geschichte möchte ich Euch anregen, richtig hinzuschauen, es ist oftmals nicht so, wie es auf den ersten Blick erscheint. Schult Eure Beobachtung und denkt daran, dass nicht die erste Vermutung unbedingt der Wahrheit entspricht. Es hängt alles zusammen, wir müssen die Zusammenhänge nur sehen. Der Tunnelblick lässt uns vergessen, wahrzunehmen, was noch anderes so um uns rum passiert. Der Tunnelblick lässt uns Schlüsse ziehen, um dann nicht mehr darüber nachzudenken. Schaut immer noch ein zweites oder drittes Mal hin.

Unsere Hunde wollen nicht über uns entscheiden, wollen nicht die Weltherrschaft an sich reißen. In dem Fall wollte mein Hund an den Keks, um sich Linderung zu verschaffen, weil es ihm nicht gut ging. Die klassischen Symptome von Sodbrennen hat er da noch nicht gezeigt, er war nur unruhig und hat morgens nichts fressen können, weil ihm übel war.

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